Großer Pyhrgas NO-Wand

 

Erstbegehung und Entstehung vom "Weg der Freundschaft" 4+/5-

 

 

Als Wahrzeichen von Spital am Pyhrn darf man dieses formschöne Zweiergestirn, kleiner und großer Pyhrgas, mit Sicherheit bezeichnen. Ziehen sie doch magnetisch, von jedem der in das Tal kommt, die Blicke auf sich. Der große Pyhrgas ist der höchste Berg der Haller Mauern und deshalb auch ein überaus großzügiger Aussichtsberg, mit der bequemsten Liegewiese am Haupt. Bereits im Alter von 9 Jahren durfte ich auf dem Gipfel stehen um von oben auf meine Heimatregion und noch in alle Richtungen darüber hinaus schauen. Seither bin ich auf beide Berge zu allen Jahreszeiten, sei es wandernd, kletternd, mit Schi, mit Firngleiter und sogar abwärts mit dem Paragleiter, unterwegs gewesen. Immer wieder zog, und zieht es mich weiterhin, auf einem der schönsten Gipfel in der Region.

 

Angeregt durch den alten „Gesäuse und Ennstaler Alpen-Führer“ von Willi End, erkundete ich im Juni 2011 die alte Nordostwand aus dem Jahre 1910, witziger weise knapp ein 100 jähriges, aber einsames, Jubiläum, da diese Tour (fast) nicht mehr begangen wird. Schlüsselstelle wäre die ersten 80 Meter  Verschneidung/Schlucht, danach zweihundert Höhenmeter Gehgelände, Geröll und die letzte Hälfte der Tour gestuftes moosiges brüchiges Rinnen- und Schrofengelände im zweiten und dritten Schwierigkeitsgrat. Für Kletterer der heutigen Generation kein aufregendes Ziel mehr.

Damals fotografierte und musterte ich die ganze Wand, denn auch die Führe im fünften Schwierigkeitsgrat, aus den wilden Siebzigern vom Imitzer Alfred (1986 am K2 verunglückt), war für mich interessant. Mit zwei Bergkameraden aus der Region sprach ich über die Tour die diese vor Jahren (70er 80er) gegangen waren; „Extrem brüchig und gefährlich“, „Die Haken sind schlecht und fallen beim hinschaun schon heraus“, „lass die Finger davon, gibt schöneres“; waren die Kommentare. Trotzdem hielt ich an meinem Vorhaben fest, begutachtete weiterhin mehrmals die Fotos, beziehungsweise die Wand vom kleinen Pyhrgas und vom Verbindungsgrat aus. Dabei viel mir eine gratähnliche Rippe auf, die eine sehr logische kletterbare Linie, bis zum Gipfel, vorzuweisen hat. In Kombination mit der alten Einstiegsverschneidung und einer gestuften (Stiegl Bier) bogenförmigen Verbindung, ließe sich doch eine eigenständige Klettertour kreieren, die die ganze Wandhöhe nutzen würde.

Es dauerte seine Zeit bis ich begeisterte Partner für dieses Projekt finden konnte, versprach das Unternehmen ja Schwerstarbeit und gefährliche unbekannte Kletterei in wahrscheinlich brüchiger Umgebung.

 

Am 26. Juni 2013, der erste Versuch. Da wegen unterschiedlicher Berufstätigkeit wir beide (Gerhard Sulzbacher und Phillip Schretter) terminlich selten am selben Tag frei hatten, planten wir uns schon eine Woche vorher diesen Mittwoch ein. Es regnete vorher schon mehrere Tage und wir hielten aus lauter Euphorie trotzdem an unserem Plan fest. Wenigstens die unteren leichteren drei Seillängen einzurichten und einige Bohrhaken zu deponieren, da das Wetter sich ja bessern sollte. Es regnete nicht an diesem Tag, aber nass war es trotzdem und die Berge waren in Wolken gehüllt. Wir stiegen ins Holzerkar und vor lauter Nebel fanden wir nicht einmal den Einstieg. Es lag noch viel Schnee unterhalb des Wandfußes und wir kletterten sogar viel zu weit hinten ein Stück hoch. Die Finger waren kalt und wir waren frustriert. Als wir wieder absteigen wollten, riss der Nebel kurz auf und zeigte uns unseren Fehler. Wieder vollen Mutes stiegen wir das harte Schneefeld hinauf zum Einstieg.

 

Die ersten dreißig Meter gingen wir noch frei. Am Absatz vor Beginn der großen Verschneidung, wo ich zwei Jahre zuvor alleine hochkletterte, bohrten wir die ersten Standhaken. Es war sehr kalt und Wasser lief herunter, trotzdem wollte ich wenigstens noch die zweite Länge fertig stellen, „wenn wir schon mal hier sind“, dachte ich mir. Etwa 10 Meter nach dem Stand bohrte ich über Kopf den ersten Haken, klinkte eine Expressschlinge  und stellte mich auf einen Absatz etwa einen Meter daneben auf selber Höhe wie den Haken. Weil ich noch so steife Finger hatte, wusste ich momentan nicht, wie ich da am besten weiter sollte, da brach auch schon mein Tritt weg und ich fand mich schon zwei Meter unter dem Haken im Seil hängen. Kurzer Schreck, aber dennoch brachen wir, da nichts passiert ist, in Lachen aus; „Jawohl, der Haken hält super!“

 

Wir beschlossen es sein zu lassen. Die Haken wurden deponiert und einer wurde für die erste Länge beim Abseilen noch gesetzt. Zurück auf der Gowilalm wurden wir von unseren Freundinnen begrüßt, die uns kopfschüttelnd über unsere Dummheit empfingen, wir waren fast völlig durchnässt. Eine Erfahrung reicher genossen wir den Abend bei unserem Gowilalm Stammtisch, der mitunter ein Grund dafür war die Tour einzurichten.

 

 

2. August 2013: Kurzfristig und spontan bekam ich an diesem sonnigen Freitag frei. Sabine, eine ebenso spontane Alpinistin und Freundin, sagte mir noch am späten Vorabend zu. „Sie möchte gerne einmal eine Abenteuer Erstbegehungstour mitmachen;“ so waren ihre Worte. Um neun Uhr standen wir bereits am Einstieg.

 

Wir seilten uns an, hängte mir Bohrmaschine und Kletterzeugs um und startete los. In der zweiten Seillänge das einzige Antiquariat das auf frühere Begehungen hinweist, ein umgebogener rostiger Normalhaken, dieser befindet sich noch immer dort. Die Rechnung ging auf. Ich verfolgte nach 20 Meter die Verschneidung nicht weiter und konnte wirklich eine elegante Linie, entlang von gutem Fels, die nächsten zwei Seillängen einrichten. Super, ab jetzt ins unbekannte Land. Da ich nur Akku für etwa noch 20 Bohrhaken hatte, wollte ich mit Sabine nicht zu viel Risiko eingehen und beschloss die nächsten hundertfünfzig Höhenmeter neben den Felsen, im Schrofengelände, am kurzen Seil hochzusteigen um wenigstens die obere Gratrippe erkunden zu können. Beim Hochgehen hatten wir sogar noch eine unliebsame Überraschung mit Gämsen. Diese fühlen sich in diesem Gelände ziemlich wohl und Tratten oberhalb von uns eine Steinlawine los, welcher wir nur knapp ausweichen konnten. Ein Kopfgroßer Stein flog sausend zwischen uns vorbei, wir standen zwei Meter auseinander. Mit ein Grund warum ich die Tour im Mittelteil bogenförmig, die Schrofenterrasse umgehend, anlegen wollte. Im hintersten Winkel visierte ich eine steile Verschneidung an, die mich zu diesem ersehnten oberen Wandteil führen sollte.

 

Da ich Akku sparen wollte sicherte mich Sabine auf einen Klemmkeilstand und ich sicherte die dreißig Meter im fünften Grad mobil ergänzt nur durch einen einzigen Bohrhaken. Danach ging ich fast immer die vollen fünfzig Meter Seil aus und setzte jeweils nur einen Standhaken, weil ich ja da noch nicht wusste wie ich konkret den Tourenverlauf letztendlich festlege. Nur bei der Schlüsselstelle setzte ich zusätzlich einen Haken, weil so viel Risiko wollte ich schließlich doch nicht auf mich nehmen. Interessant war es auch für die mittlerweile etwas erschöpfte Nachsteigerin, wie ich bei der Stelle mit dem Bohrhaken drüber gekommen bin. Sie hängte die Expressschlinge an ihren Gurt und Schwups pendelte sie schon 7 Meter hinaus. Zum Glück ist ihr da nicht viel passiert, sie konnte danach auch wieder lachen. „Bei der Fertigstellung muss ich unbedingt einen zusätzlichen Haken oberhalb der Stelle setzen um die Lechner Schaukel zu entschärfen“, notierte ich mir im Geiste.

 

Nach sechs Stunden entließ uns die Wand. Am Gipfel empfing und gratulierte uns unser Freund Phillip, der sogar spontan frei gehabt hätte, dass ich aber leider erst unterwegs telefonisch mitbekam. Er freute sich aber über unsere Leistung und ich konnte ihm freudig das OK mitteilen, das unser Projekt echt gut gelöst werden könnte und das in moderater Schwierigkeit. Einzig der Mittelteil bereitete mir noch Kopfzerbrechen, „Hoffentlich wird es nie schwerer als höchstens fünf, sonst würde die Tour nicht zusammenpassen!“

 

22. September 2013, Sonntag: Vor einer Woche hatte es bereits bis 1800 Meter herunter geschneit und es schien eng zu werden für dieses Jahr um dieses Projekt. Aber mehrere Tage Schönwetter prophezeihten Gutes und deshalb stiegen wir auch, aus Anreisegründen, leider erst zur Mittagszeit zum Einstieg.

 

12:15 Uhr, wir banden uns zu dritt ins Seil. Neu in unserer Runde ist Kletterfreund Michael, der die Erstbegehung hautnah miterleben und mit seiner neuen Kamera festhalten möchte. Wir gaben uns noch einmal als Ritual die Hand bevor es los ging. Die ersten drei Seillängen stieg Phillip vor und bestätigte voller Begeisterung die gut ausgekundschaftete Linie. Ich freute mich. Wir überblickten den mittleren Wandteil und berieten uns und durchsprachen ein paar Varianten. Ab jetzt übernahm ich die Führung, da ich ja das Gelände am besten kannte. Wir kletterten sehr relaxt und freuten sich über jede gelungene Seillänge, Michael zeichnete bei jedem Stand mit, später sollte uns die Zeit fehlen. Nur einmal verfranzte ich mich bei einem Quergang, den ich zu früh nach oben verlassen wollte. Die Lasche wurde wieder entfernt. Ohne große Mühe, fanden wir genau den Weg, den wir stets von den Fotos her im Auge hatten. Beim Klettern entfernten wir auch immer wieder einige lose Steine oder Blöcke, die dann auch im lauten Getöse zu Tal stürzten; „eine Menge Leute die Unterwegs sind gegenüber am kleinen Pyhrgas werden sicher aufmerksam auf uns“, so dachten wir.

 

Trotzdem, wir gewöhnten uns sehr schnell an die laute Musik der „Rolling Stones“. Am meisten freuten wir uns über die homogenen Schwierigkeiten, den schönen abwechslungsreichen Kletterstellen und vor allem über die komfortablen Stände die ausnahmslos in der ganzen Route auf bequemen Absätzen vorzufinden sind. Erst als wir in der großen Geröllrinne waren, erkannten wir, dass uns die Zeit weggeronnen war. Ich beruhigte meine Freunde, dass wir das Schwierigste bereits hinter uns hätten und wir jetzt schneller vorwärts kämmen, da ich genau wusste wie es weitergeht. Aber das ständige Ausschauhalten nach dem besten Seilverlauf, den Sicherungspunkten, dem Abklopfen des Felsens und das korrekte Setzen der Bohrhaken, verging die Zeit sehr schnell.

 

Zwei Seillängen vor Schluss, beim Wandbuch, holte uns die Dunkelheit ein. Wir kritzelten Datum und Namen hinein, steckten die Dose in den Spalt hinterm Blockstand und kletterten mit der Stirnlampe weiter. Der Wind wurde bereits sehr kalt und das Gefühl in den Fingern lies an den kalten Felsen schnell nach. Ich hatte leider vor lauter „schnell schnell“ im Auto meine Jacke liegen lassen, Michael seine Stirnlampe, Haube und Handschuhe hatten wir alle mit. Ich leuchtete von oben und Phillip von unten, damit er sah wie er greifen und steigen musste. Am Ausstieg schnell alles im Rucksack verstauen, rein in die kalten Schuhe, rauf zum Kreuz. Nach acht Stunden in der Wand um 20 Uhr 40 min, umarmten und beglückwünschten wir uns am Gipfel. Nach dem Eintrag ins Gipfelbuch ging es vorsichtig abwärts, wir waren schon sehr müde. Da Michael mit dem Handy den Weg selber auch gut ausleuchten konnte, kamen wir trotzdem gut voran.

 

Auf der Gowilalm erwartete uns Anita um 22:20 Uhr noch mit Frittatensuppe, Wasser, Most, Bier und Mehlspeise. Sie blieb extra noch auf um uns zu empfangen. Wir hatten sie am Handy teilweise am Laufen gehalten, damit sie sich auf der Alm keine Sorgen machen mussten. So nahm dieser Tag ein freudiges Ende, obwohl alle mehrere Tage noch Verspannungen von den schweren Rucksäcken hatten.

Wir setzten in dieser Wand insgesamt 77 Bohrhaken, davon 69 in der Tour. Das sind 37 Stand- und 37 Zwischenbohrhaken in insgesamt 18 Seillängen auf 700 Klettermeter. Wandhöhe 450 Meter.

 

Glücklich sind wir alle dennoch und freuen uns schon auf eine Wiederholung, sowie auf die einen oder anderen Alpinisten, die diese Tour an diesem schönen Berg begeistern kann.

 

Wir widmen diese Tour, wie der Name schon sagt, der Freundschaft. Unserer Freundschaft, der Freundschaft zu allen, die mit uns sind und der Freundschaft an sich, die überall auf dieser Welt von größter Wichtigkeit ist und durch Dick und Dünn geht!

 

Ein großes Danke an meine Freunde, die mit mir diese Tour ermöglicht haben und herzliches Danke an die Wirtsleute auf der Gowilalm für die immer offene Tür, die gute Verpflegung, die gute Laune und den Stammtisch.

Ich wünschen unfallfreie erlebnisreiche Bergmomente. Berg Heil.

 

Zitat aus dem Wandbuch:          „Weg der Freundschaft“

 

Freundschaften

zeigen sich in vielen Variationen und Formen;

So vielfältig wie die Tour selbst;

manchmal Locker,

sehr oft fest,

selten düster,

manchmal hell,

teils schwierig, teils leicht,

oft anstrengend, doch auch erholend,

aber immer kommt man gemeinsam ans Ziel,

wo man in Freude zurück schauen kann,

auf das Ruhige mit Bestand,

weil dort unser aller Herz schlägt.

 

Aus jagdtechnischen Gründen, sehe ich derzeit von einem Topo ab, um nicht die Maßen (die es für so eine Kletterei ohnehin nicht gibt) anzuziehen! Diese Kletterei wird ohnehin, durch den alpinen Absicherungscharakter und Länge, wohl nur etwas für Nostalgiker und erfahrene Alpinkletterer/Bergsteiger sein, die mit einer verbalen Beschreibung und durch Erfahrung gesammeltes Orientierungsvermögen, sich in so einer Wand zurechtfinden können.

 

Danke für euer Verständnis.

Bericht
Weg der Freundschaft - Bericht - Hinterg
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Verbale Beschreibung
Tourenbeschreibung verbal.doc
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Info und Angaben
Weg der Freundschaft 4+ 5- Info.doc
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